Schönen Sonntag Nachmittag,
vor ca. drei Monaten fand ich auf einer bosnischen Verkaufsplattform einen Eicher 25/III. Nachdem ich ein Traktor-Samariter bin, konnte ich nicht widerstehen, diesem kleinen Burschen unter die Arme zu greifen.
In ersten Telefonaten wurde einmal die Lage gepeilt, wo sich das gute Stück befindet und wie die sonstigen Verkaufsparameter aussehen. Auch Fragen zu Re-Import in die EU wurden geklärt. Zudem wurde unser hiesige Pfarrer eingebunden, um Sprachbarrieren zu umschiffen (
). Jetzt muss ich halt ein wenig mehr Lektorendienste machen
.
Gestern (Samstag, 11.01.2025) war es soweit.
Zu zweit sind wir um 06:00 morgens in Österreich aufgebrochen und waren um fast genau 12:00 in der Nähe von Banja Luka (Bosnien & Herzegowina).
Da die Hausansiedlungen ("Dörfer" kann man das nicht nennen) entlang der Hauptverkehrsverbindungen im Land nicht zwingend eine Gassen-, geschweige den Hausnummernbezeichnung haben, machten wir uns einen Treffpunkt bei einem Motel aus, welches unser NAVI erkannte. Von dort wurden wir vom Sohn des Hauses abgeholt und die restlichen 1.000 m bis zum (Groß-)Familien-Anwesen gelotst.
Die Familie handelt mit gebrauchten Landwirtschaftsmaschinen. Daher war das Anwesen voll mit Pflügen, Wendern, Grubbern, Pressen und dergleichen. Und natürlich auch Traktoren. Alles das, was aus D & Ö wahrscheinlich in den späten 80'ern und frühen '90ern den Weg auf den Balkan gefunden hat bzw. noch aus jugoslawischer Produktion stammt.
Die Begrüßung war sehr herzlich. Schnell war der Platz vor dem kleinen Haus mit Familienangehörigen gefüllt.
Da stand er also, unser kleiner Eicher. Schwer vom Arbeitsleben gezeichnet.
25/III Bj. 1951 mit ZF-A15 Getriebe in dezentem Balkan-Blau.
Ob das Edelschrott ist, kann diskutiert werden. Auf jeden Fall ist es ein "Scheunenfund". Denn gleich hinter dem Eicher befanden sich die Stallungen mit einigen kleinen Lämmchen drinnen. 
Mein Schwiegervater und ich begannen mit der Begutachtung des 25/III.
Schnell wurde klar, dass der Zustand des Eicher nicht dem entsprach, was uns telefonisch mitgeteilt wurde.
- Sofort fiel uns ein Frostschaden am Motorblock in's Auge. Im Vorgespräch mit dem Verkäufer war der Motor ohne Frostschaden.
- Unter dem Kühler war eine große Wasserlache. Im Vorgespräch mit dem Verkäufer war das Kühlsystem in Ordnung.
- Um den Frostschaden am Motorblock besser ansehen zu können wollten wir das Motorhaubenblech oben abheben. Wir waren erstaunt, als sich die gesamte Motorhaube nach vorne kippen lies.
War aber erklärbar, weil darunter ein nicht dem Typ entsprechender Kühler zum Vorschein kam, den man nur füllen kann, wenn die Motorhaube weg ist. "Acker-Optimierung"!
Auf dem Foto seht ihr die drei Baustellen.
Frostschaden Motorblock, der nicht originale Kühler, Umbau der Motorabdeckung zu einem kippbaren Etwas
- Interessant war auch die Färbung des Motoröls. Das war sehr grau
. - Das "Kästchen" als Armaturenhalter war nicht mehr da. Dafür war ein Bleck an die Rasterung für das Handgas montiert, in dem alle benötigten Elemente aus dem Armaturenhalter eingebaut waren.
- Erstaunlicherweise funktionierte der Starter und wir brachten den Motor kurz zum Laufen. Ich konnte eine nur kurze, kleine Runde auf dem Anwesen drehen. Danach wurde der Motor sofort abgestellt. Die Gänge ließen sich aus meiner haptischen Erfahrung einwandfrei durchschalten. Auch die Zapfwelle konnte ein- und ausgeschalten werden. Die Bremsen taten ihren Job.
- Das Mähwerk schaltete ich nicht zu, da dafür der Fußschalthebel nicht hoch genug herauf stand. Ich nehme an, dass da drunter die Rückholfeder ausgelutscht oder schlicht und einfach weg ist.
- Das Getriebe mit den Achstrichtern ist dicht. An den hinteren Kotflügeln wurde das Blech bis hoch zu den Kabelführungen für die Rücklichter weggeflext.
- Die hintere Anhängevorrichtung wurde in der Mitte auseinandergeschnitten, damit am Getriebeblock unten ein Abschlepphaken angeschraubt werden konnte
. Das wird mich bei unserer Typisierungsstelle noch Nerven kosten.
- Die Räder selbst haben kein nennenswertes Spiel an den Montagepunkten.
Die Verkaufsverhandlung selbst war dadurch geprägt, dass ich den Verkäufer darauf hingewies, was nicht alles nicht ok ist und er in der typischen Balkan-Mentalität meinte, dass man das ja alles reparieren kann. Letztendlich wurden wir uns handelseinig und ich konnte bei kleinem Geld zuschlagen. Der von mir vorbereitete Papierkram (in zwei Sprachen) war rasch erledigt.
...und danach war Brotzeit mit Salami, Lammfleisch, eingelegtem Gemüse (Paprika, Gurken, Kraut, ...) und Schnaps, alles aus eigener Produktion, angesagt! 
Dabei haben wir erfahren, dass die Großfamilie vergangenes Wochenende das neue Jahr groß gefeiert hat (Lamm am Rost usw.) und dass auch viele andere Bosnier dadurch genau an diesem Samstag wieder am Weg zurück nach D, Ö, CH, ... zu ihren Arbeitsplätzen sind. Das durften wir bei der Einreise nach Kroatien dann auch live miterleben. 3,5h für 3km zur Grenze!!!
Aber was soll's. Um 23:00 waren wir unfallfrei und um viele neue Eindrücke bereichert daheim.
Kommende Woche werden vom Verkäufer die Speditions- und Zollpapiere vorbereitet. Ein Bekannter meinerseits, der gebrauchte Autos monatlich nach Bosnien bringt, nimmt mir bei seiner Leerfahrt rauf nach Ö den Eicher mit. Da ich keinen zeitlichen Stress habe, ist das für mich alles gut.
Fazit:
Interessante Jagd und Erlegung eines frühen Blauen, der unendlich viel Bastelspaß verspricht.
Was will man mehr?
Liebe Grüße,
Sam