Warnung, sensibles historisches Thema, Bitte um technische Klärung

  • Hallo an Alle!

    Da ich aktuell einem Bekannten dabei helfe eine kleine Arbeit über die Technik der Behinderten- ("Euthanasie")morde im Dritten Reich zu schreiben, wollte ich mich mit einer Bitte um Hilfe, hier an das Forum wenden.

    Es geht dabei um den ersten Gaswagen im Einsatz beim sog. "Sonderkommando Lange" im Gebiet Wartheland. Bei diesem handelte es sich tatsächlich noch nicht wie bei späteren Gaswagen um einen LKW, sondern um ein Gespann welches aus einem umgebauten, geschlossenen Anhänger für Möbeltransporte, welches laut Zeugenaussagen von einem "kleinen Traktor" gezogen wurde. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen damals üblichen Straßenschlepper handelte. Technische Dokumentation gibt es im Gegensatz zu den späteren Gaswagen praktisch überhaupt nicht, da es von diesem Gefährt aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Exemplar gab und nur einige Monate im Einsatz war. Das einzige was erhalten ist, sind Zeugenaussagen vom polnischen und deutschen Anstaltspersonal, einiger Leichenkommandos sowie Personal der SS, die allerdings wenig ins Technische gehen. Einige der Zeugen glaubten dass Abgase in den Anhänger geleitet wurden, weil "die Rohre" zu einer "Box am Motor" liefen. Tatsächlich waren in diesem Behälter allerdings CO Gasflaschen zum Zwecke der Tötung.

    Hier einige der Aussagen:

    Einige Rohre liefen vom Traktor, an dem ein großer Behälter befestigt war, wahrscheinlich für das Gas, bis zu dem Anhänger. Die Position des "Behälters" am Traktor erklärt, warum einige Zeugen annahmen, dass die Abgase des Motors durch die Rohre geleitet wurden.

    Bogdan O., berichtete von einem "vollständig geschlossenen Fahrzeug...mit einem Traktor...das Rohr vom Motor zu der Kiste fiel uns auf".

    Maria L.: "Ein großes Fahrzeug mit den erwähnten SS-Männern kam an...gezogen von einem kleinen Traktor. Das Fahrzeug war eine Art kleiner Möbelwagen"

    Gwidon L. Er erinnerte sich daran, dass "eine Leitung vom Inneren zum Motor angebracht war".

    Der polnische Krankenpfleger Szczepan B. machte die entscheidende Beobachtung, dass "Unter dem Fahrzeug befand sich ein Behälter mit Rohren, die ins Innere des Fahrzeugs führten"

    Klara W.: "Eine Art Möbelwagen ohne Fenster, aber mit kleinen Deckenleuchten. Dieses Fahrzeug hatte einen kleinen Anhänger mit einem Schlauch, der mit dem großen Wagen verbunden war...im Inneren des Fahrzeugs gab es Bänke, auf denen wir die kranken Menschen platzierten. Auf dem Boden befand sich etwas Stroh...Die SS-Männer schlossen die Doppeltüren und verließen die Anstalt" (beachten Sie die entgegengesetzte Anordnung des Fahrzeugs, wie von anderen Zeugen beschrieben).

    Da einige Zeichnungen angefertigt sollen wie diese technische Umsetzung ausgesehen haben könnte, wollte ich hiermit technisch versierte Menschen fragen ob sie folgendes ähnlich zeichnen würden, wie gesagt es geht lediglich darum wie es gewesen sein könnte:

    Einmal als beispielhaftes Modell für die Zeichnung des Straßenschleppers, ein Hanomag AGR 38 (Straßenschlepper) offen, zwischen Vorder- und Hinterachse auf der rechten Seite stehend eine große, längliche Metallbox, für Bedienung und Austausch der Gasflasche abnehmbarer Deckel.

    Der schwerere Teil, laut Zeugenaussagen handelt es sich um "Rohre" die nun zum Anhänger führen, wie könnte man sich das vorstellen, gerade bei der Fahrt wäre das etwas schwierig. Hätten das auch Panzerschläuche (so wie in späteren Gaswagen) eingesetzt sein können. Das wäre allerdings spekulativer, da hier die Rohre mehrmals erwähnt wurden. Eventuell waren diese abnehmbar? Das Gefährt soll ja im Stehen eingesetzt worden sein.

    Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Ihre Anregungen

    Liebe Grüße BH

    2 Mal editiert, zuletzt von Bienenhead (20. Juli 2023 um 15:24)

  • Hallo Bienenhead,

    aufgrund der zeitlichen Einsortierung in 1939/40, verbunden mit der Aussage "kleiner Traktor" würde ich vielmehr an Miag RD20 oder Hanomag RL20 denken. Auch würde ich Zugmaschinen von Hanomag und Kaelble nicht ausschließen. Es wäre aber auch jedes andere Fabrikat oder jeder andere Typ möglich, jedoch in ziviler Ausführung.

    Warum zivil? Diese/r Anhänger war/en mit "Kaiser´s Kaffee" beschriftet, ich meine davon auch ein Foto oder Zeichnung gesehen zu haben. Allerdings kann ich dies gerade nicht einsortieren, auch die Bildersuche bringt nichts zu Tage. Dabei habe ich aber folgenden Link gefunden, der dir bei deinem Thema eventuell hilfreich sein könnte:

    https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1987_3_4_beer.pdf

    Viele Grüße

    Eicher EKL15/II
    Eicher 3085 mit FH Synchron
    Eicher 3???

    Machen wir uns nichts vor: Saugmotoren haben leider keine Turbolader...

  • Hallo 3085,

    vielen Dank für die Antwort, es ist sehr richtig dass dieser Anhänger diese Beschriftung führte. Uns ist persönlich auch ein Foto eines solchen "Kaiser's Kaffee" Anhängers bekannt, ich werde es mal hochladen, ´zumindest die Firmenpräsentation/Schriftart deutet auf eine spätere Nutzung hin. Wir sind auch auf der Suche nach Referenzen für Anhänger aus den 30ern, wovon es leider nicht viel zu geben scheint bzw. wir noch keinen Erfolg hatten, glauben aber dass der im gezeigten Foto bzw. Foto 2 eine gute Auswahl an Kandidaten darstellen könnte um das Gefährt später zu veranschaulichen.

    Danke auch für die Verbesserungsvorschläge bezüglich der Schlepper, gerne mehr davon!

  • Wir sind auch auf der Suche nach Referenzen für Anhänger aus den 30ern, wovon es leider nicht viel zu geben scheint bzw. wir noch keinen Erfolg hatten, glauben aber dass der im gezeigten Foto bzw. Foto 2 eine gute Auswahl an Kandidaten darstellen könnte um das Gefährt später zu veranschaulichen.

    Schau mal nach Fotos von Schausteller-Packwagen, alternativ auch Schausteller-Wohnwagen aus den 1930ern, da gibt es recht viel Material. Bei letzterem müsstet ihr euch die Oberlichter wegdenken. Charakteristisch sind Holz-Bauweise mit stehenden Nut- und Federbrettern, zwei einzelbereifte Achsen, sowie eine meist sehr runde Dachform.

    Das Foto von Commander89 trifft es ziemlich genau.

    Viele Grüße

    Eicher EKL15/II
    Eicher 3085 mit FH Synchron
    Eicher 3???

    Machen wir uns nichts vor: Saugmotoren haben leider keine Turbolader...

  • Vielen Dank Commander89 und 3085! Bezüglich des Bildes auf der Seite deathcamps(dot)org haben wir uns anfänglich in die Irre leiten lassen, da dort der Anhänger als Holzaufbau gezeigt wird, dieser jedoch in Zeugenaussagen mehrfach als Metallaufbau erkannt wurde, das hatte ich vergessen hier zu erwähnen.

    "Schau mal nach Fotos von Schausteller-Packwagen, alternativ auch Schausteller-Wohnwagen aus den 1930ern, da gibt es recht viel Material."

    Das bringt tatsächlich sehr gute Ergebnisse, herzlichen Dank!

    Hätte jemand ansonsten vielleicht noch einen Vorschlag bezüglich der Vergasungseinrichtung? Vor allem tun wir uns noch mit einem einem sinnvollen Aufbau des Vergasungsrohres, anhand der wenigen Zeugenaussagen schwer. Diese sind ja auch, wie bei Zeugenaussagen nicht unüblich, teils widersprüchlich. Eventuell müsste man da einen Mechaniker mal fragen.

  • Ich bin 67 Jahre alt und befasse mich gerade aktuell mit eugenischer Sterilisation in gleicher Zeit. Meine Frau arbeitet in einer großen Behinderteneinrichtung, und das Befassen mit Grafeneck und den dortigen Geschehen während ihrer Ausbildung hat sie lange fassungslos gemacht. Ein wahrhaft sensibles Thema.

    Natürlich habe ich vor vielen Jahren nicht auf technische Einzelheiten geachtet, als ich mit Bildern und Berichten konfrontiert wurde. Aber im Hinterkopf habe ich, dass eher mit Abgasen gearbeitet worden sei? Sie schreiben in ihrer Anfrage von CO Gas - Kohlenmonoxid, dann auf Flaschen. Oder war CO2 gemeint? Meine Überlegungen: Warum sollten die Druckflaschen am Zugfahrzeug montiert worden sein, um dann kompliziert mit - gar starren - Rohren zu arbeiten? Ich habe einen Faltenschlauch (Gummi/Metallspirale) in Erinnerung, der anfangs einfach zu einem Oberlicht reingesteckt wurde, aber das kann eine falsche Erinnerung sein! Frage: Wurde damals überhaupt CO industrieell auf Flaschen gedrückt, und wofür ursprünglich?

    Es war bekannt, dass Abgase hoch giftig sind, und damit hat man vielleicht angefangen. Im hier nahe liegenden elsässischen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof hat der gefürchtete Arzt Eisele Experimente mit Gasen gemacht. Vielleicht ergibt die Geschichte dieses Vorganges Licht auf die von Ihnen untersuchten Transportablen Konstruktionen.

    Zweifellos ist, dass in unseren Zeiten der "alternativen Fakten" nur durch sachliche und vollständige Erforschung auch dieser Vorgänge bis ins Detail der Wahrheit zu ihrem Bestand verholfen werden kann.

    Johannes

  • Hallo jweitzel,

    für die Euthanasiemorde wurden Anfangs nur pures CO verwendet, welches in Flaschen von einem I.G. Farben Werk in Ludwigshafen beschafft wurde. Erst später ging man dazu über mit Abgasen zu arbeiten. Die Hintergründe dieser Entwicklung sind auch bereits gut erforscht und werden in der Arbeit nochmal behandelt.

    "Warum sollten die Druckflaschen am Zugfahrzeug montiert worden sein, um dann kompliziert mit - gar starren - Rohren zu arbeiten? Ich habe einen Faltenschlauch (Gummi/Metallspirale) in Erinnerung, der anfangs einfach zu einem Oberlicht reingesteckt wurde, aber das kann eine falsche Erinnerung sein!"

    Es handelt sich wie gesagt um den ersten Gaswagen, mit welchem praktische Erfahrungen gesammelt wurden und welcher mehrfach modifiziert wurde. Da es nicht mehr als diese Zeugenaussagen (vor Gericht getätigt) gibt, und wir nicht absehen können ob es jemals einen Archivfund dazu nochmal geben wird, können wir auch leider nicht mit mehr arbeiten. Deshalb wird bezüglich dieses Gefährts auch ausdrücklich darauf hingewiesen werden dass es auf nur wenigen Zeugenaussagen basiert und die Illustration nur als Veranschaulichung dienen wird.

    Liebe Grüße

    BH

    2 Mal editiert, zuletzt von Bienenhead (22. Juli 2023 um 00:28)

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